Am 17.09.2019 fand eine Veranstaltung der "Futuro D" unter dem Titel "Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit - Hilfen für Kriegskinder im Alter" statt.
Bei der Tagung standen hochaltrige Menschen im Mittelpunkt, deren Zeitgeschichte und deren Folgen bedingt durch Gewalt, Verlust und Vertreibung. Diese Erfahrungen hinterließen eine Reihe von psychologischen Spätfolgen bei Kriegskindern, deren Auswirkungen zumal unmittelbar an die nächsten Generationen weitergeleitet werden.
Hauptreferent war Prof. Dr. Hartmut Radebold, der 1935 in Berlin geboren ist. Er zeigte die vielfältigen beschädigenden und traumatisierenden Erfahrungen von Kindern der Jahrgänge 1928 bis 1945 auf. Die Auswirkungen seien unterschiedlich schmerzhaft: Zerstörungen, Vertreibung, Vergewaltigung, Verlust(e) des Vaters, Bruders, der Mutter, Verarmung, Hunger, Krisen, Scheidungen der Eltern und vieles mehr.
Prof. Radebold zeigte dabei die zeitgeschichtlichen Schrecken auf. 30% der Kinder gelten als ausgeprägt traumatisiert, 30% müssen als ausgeprägt beschädigt angesehen werden. 40% verfügen über keine derartigen Erfahrungen. In Bildern zeigte er, wie maskenhaft abwesend die Gesichtsausdrücke der spielenden Kinder in den Trümmern wirkten. Die Spätfolgen wie Traumata, Depression, psychosomatische Erkrankungen, Persönlichkeitsveränderungen, Sucht und Beziehungsstörungen beeinträchtigen in der Regel bis in das hohe Alter. Prof. Radebold stellt diese in seinem Vortrag eingehend dar.
Direktlink: Vortrag Prof. Radebold auf Youtube
- In vier Workshops nutzten die Teilnehmenden dann die Gelegenheit, Auswirkungen der Schrecken der Kriege weiter zu beleuchten. Das Ziel: Wege zu finden, das Sprechen und Erinnern professionell zu begleiten. Vorgestellt wurden Konzepte und Praxiserfahrungen aus und für die Bereiche Bildung, Pflege und Seelsorge.
- Prof. Radebold vertiefte psychotherapeutische Gesichtspunkte: Wie können die schmerzhaften Spuren angeschaut und ausgehalten werden?
- Pastorin Anita Christians-Albrecht stellte Möglichkeiten seelsorglicher Begleitung vor.
- Gitta Alandt informierte über den Leitfaden für die Pflege von alten und traumatisierten Menschen: "Wenn der Schrecken wieder lebendig wird: Pflege und Trauma."
- Anke Lesner stellte das Konzept und die praktischen Erfahrungen von biographischer Arbeit mit Kriegskindern in Erzählcafes vor. "Dem Unerhörten Raum geben: Biographiearbeit in Erzählcafes."
Die Cafes bewähren sich in Bildung und Seniorenarbeit sehr gut, um zum Gespräch über die Biographie zu ermutigen. Traumatisierende Ereignisse – insbesondere von sexualisierter Gewalt – beeinträchtigen Selbstwertgefühl und -vertrauen. Räume für geschützten Austausch mit professioneller Begleitung bieten die Chance, sich der schmerzhaften Erinnerung zu stellen.
Weiterlesen auf der Website AEWB-Nds (mit Downloadmöglichkeit der einzelnen Vorträge)